Biografisch-genealogische Spurensuche zu Fritz Lang.

Meinem langjährigem Forschungsschwerpunkt Garser Tourismus-Geschichte folgt die Erkundung der Genealogie und Kindheits- und Jugendjahre (1890-1914) des Film-Regisseurs Fritz Lang. Sein 50. Todestag naht im Sommer 2026, weshalb es an der Zeit ist, endlich seine frühe Wiener Biografie und die Geschichte seiner Vorfahren und engsten Verwandten aufzuarbeiten. Im Mittelpunkt steht daher nicht Fritz Langs bekanntes Filmschaffen, sondern seine frühe verborgen gebliebene Wiener Biografie und die unbekannt gebliebene Lebensgeschichte seiner Ahnen und nahen Verwandtschaft.

Das Fritz Langs Mutter gehörende Haus Albertgasse 32 in der Wiener Josefstadt, das sie 1910 gegen das Garser Landhaus des Wiener Musikinstrumentenhändlers Josef-Leopold Pick (Manigfall, Nr. 25) und Bargeld eingetauscht hat

Fülle neuer Fakten zu Fritz Langs früher Biografie und Genealogie

Meine genealogisch-biografische Forschung hat eine Fülle neuer Fakten zu Langs Wiener Jugendzeit sowie seinen Eltern, Großeltern und Ur-Großeltern väter- und mütterlicherseits ans Licht gebracht. Auslöser für die genealogische Recherche war der private Hinweis, dass Fritz Langs Großmutter Johanna Lang mit dem Architekten und Baumeister Adolf Endl verheiratet war und mit diesem zwei Töchter hatte, die im Kleinkindalter verstorben sind.

Die anschließende Überprüfung und Berücksichtigung von Johanna Langs Herkunft und Jugend sowie ihrer verbürgten Ehen mit 1.) dem Architekten Adolf Endl und 2.) dem Lehrer Karl Schott führte zu essentiellen Ergänzungen und Korrekturen von Georges Sturms grundlegender, aber teils lücken-, teils fehlerhafter Fritz-Lang-Genealogie und seinen daraus resultierenden Interpretationen. Denn seine Vernachlässigung der amtlich verbürgten Endl-Lang-Ehe bedingt eine völlig falsche Chronologie sowie Fehlschlüsse und haltlose Spekulationen über Fritz Langs Großmutter Johanna Lang (geborene Kopfschlägl) sowie Fritz Langs Eltern Anton und Paula Lang (geborene Schlesinger).

Neuentdeckte Archivalien und Dokumente korrigieren Sturms gravierende Missverständnisse hinsichtlich der Biografie von Fritz Langs Mutter Paula Lang. Sturm verwechselt eine Namensvetterin, die in der Wiener Mariahilferstraße in einem Textilwarengeschäft arbeitet, mit Langs Mutter, was von den nachfolgenden Lang-Biografen ungeprüft übernommen wurde und wird. Demgemäß porträtiert die bisherige Fritz-Lang-Biografik fälschlich Fritz Langs Großmutter Johanna Lang (1839-1922) als versierte Geschäftsfrau, aber seine Mutter Paula Lang (1864-1920) als Vollzeit-Hausfrau. Dabei war Fritz Langs Großmutter, die drei Kinder gebar (1860, 1875, 1878) sowie ab 1883 eine Pflegetochter und ab 1888 zudem zwei Stiefsöhne aufzog, seit ihrer Heirat mit Adolf Endl Vollzeit-Hausfrau, während sich Paula Lang seit Anfang der 1890er-Jahre als versierte Vollblut-Geschäftsfrau und Bauunternehmerin einen Namen macht: 1895 gründet sie sogar ihr eigenes Bauunternehmen, das sie als Alleineigentümerin nach ihrem Mann nennt, den sie zum Prokuristen ernennt.

Handelsgerichtliche Kundmachung zum Bauunternehmen von Fritz Langs Mutter Paula Lang „A. Lang & Cie“. „Die Presse“, 18. Mai 1895.

Patrick McGilligans Lang-Biografie, die seit ihrem Erscheinen im Jahr 1997 neben der 2001 von Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen und Cornelius Schnauber veröffentlichten Fritz-Lang-Monografie bislang die maßgebliche Grundlage späterer biografischer Arbeiten ist, fußt hinsichtlich Fritz Langs Genealogie und Ahnen weitgehend auf Georges Sturms korrekturbedürftiger Darstellung und Interpretation, wodurch meine Rechercheergebnisse eine grundlegende Ergänzung und Korrektur des bisherigen Forschungsstandes sind.

Ähnlich irrig ist beispielsweise auch die weit verbreitete Behauptung, dass die aus Anton und Paula sowie ihren Söhnen Adolf (1884-1961) und Fritz (1890-1976) bestehende Familie Lang 1900 aus der Wiener City in Josefstadt, Zeltgasse 1 [zugleich Piaristengasse 28], übersiedelt wäre. Tatsächlich leben sie (wie unter anderem die oben abgelichtete „Handelsgerichtliche Kundmachung“ beweist) bereits seit Mitte der 1890er-Jahre in der Josefstadt, Piaristengasse 41, und zwar vis-a-vis der Tageskassa des „Theaters in der Josefstadt“.

Apropos Josefstadt: Im Zusammenhang mit Fritz Langs angeblichen Weltreisen und seinem distanziertem Verhältnis zu seinen Eltern wurde bislang die Tatsache ignoriert, dass er in den Lehmann-Ausgaben der Jahre 1913, 1914, 1915 und 1916 sowohl im Einwohner-Adressbuch wie auch im „Handels- und Gewerbe-Adreßbuch“ als „Maler“ in der elterlichen Wohnung, Zeltgasse 1, verzeichnet wird. In der 1916er-Ausgabe des Lehmann wird zudem „Josefstädter Straße 43–45“ als Langs Büro-Adresse genannt, was interessant ist, weil sich in diesem Haus unter anderem das „Palast-Kino“ befand: Lang, „Friedrich, Maler, VIII. Zeltg[asse] 1, G[eschäftslokal] VIII. Josefstädter Str[aße] 43–45“.

„Und ähnlich stand es bei Lang mit seiner Wiener Herkunft. Immer häufiger hatte er mit mir über seine Wiener Kindheit gesprochen; beschrieb mir die Gegend, in der er geboren war, das Haus, in dem er aufwuchs, die nebenan liegende Apotheke usw. (Die Fritz–Lang–Gedenktafel am Wohnhaus in der Piaristengasse in Wien enthält leider falsche Daten.)“ (Cornelius Schnauber, „Fritz Lang in Hollywood“. Wien (1986), 163.)
„Und ähnlich stand es bei Lang mit seiner Wiener Herkunft. Immer häufiger hatte er mit mir über seine Wiener Kindheit gesprochen; beschrieb mir die Gegend, in der er geboren war, das Haus, in dem er aufwuchs, die nebenan liegende Apotheke usw. (Die Fritz–Lang–Gedenktafel am Wohnhaus in der Piaristengasse in Wien enthält leider falsche Daten.)“ (Cornelius Schnauber, „Fritz Lang in Hollywood“. Wien (1986), 163.)

Erkundungen zu Fritz Langs früher Biografie und der seiner Vorfahren und engsten Verwandten

Einem glücklichen Zufall verdanke ich die Gelegenheit, dass ich von der Wohnung von Fritz Langs Eltern aus, über den Augarten und das darin befindliche „Filmarchiv Austria“ hinweg, das frühere Wohnhaus von Fritz Langs Großmutter und Stief-Großvater sowie seiner Eltern fotografieren konnte.

Blick von der Wohnung von Fritz Langs Großeltern väterlicherseits Adolf und Johanna Endl (geb. Kopfschlägl, legitimierte Lang) über den Augarten und das dort befindliche „Filmarchiv Austria“ auf das frühere Wohnhaus von Fritz Langs Großeltern und Eltern Anton Lang (1860-1940) und Paula Lang (geb. Schlesinger, 1864-1920).
Blick von der Wohnung von Fritz Langs Großeltern väterlicherseits Adolf und Johanna Endl (geb. Kopfschlägl, legitimierte Lang) über den Augarten und das dort befindliche „Filmarchiv Austria“ auf das frühere Wohnhaus von Fritz Langs Großeltern und Eltern Anton Lang (1860-1940) und Paula Lang (geb. Schlesinger, 1864-1920).

Während Fritz Langs Bruder Adolf Lang (1884-1961) noch einige Jahre in der Castellezgasse aufgewachsen ist, kam Fritz Lang (1890-1976) in der Schenkenstraße zur Welt, weil sein Vater um diese Zeit wegen des „Honus-&-Lang“-Konkurses den Großteil der einstigen „Endl-&-Honus“- sowie „Honus-&-Lang“-Immobilien versilbern musste.

Stammt Fritz Langs leiblicher Großvater väterlicherseits aus dem niederösterreichischem Kamptal?

Einige Nachforschungen befinden sich noch im Status der Fragestellung und können vermutlich gar nicht mehr aufgeklärt werden. Beispielsweise beteuert Fritz Lang in einem Interview, das 1925 in der Zeitschrift „Cinémagazine“ veröffentlicht wird, dass ihn als Enkel eines bescheidenen Grundbesitzers, der seinen Familienbesitz im Rosental, einem Tal am Ufer des Kamp, selbst bewirtschaftete, nichts für eine Karriere als Filmemacher bestimmt hätte: «Rien ne semblait me destiner à la carrière de cinéaste, me dit-il, étant le petit-fils d’un modeste propriétaire foncier qui exploitait lui-même un domaine patrimonial de peu d’importance dans une vallée des bords de la Kamp, la vallée des Roses.« (1)

Gaston Phelip: Comment Fritz Lang est venu au Cinéma. „Cinémagazine“, 10 Avril 1925.

Nachdem Jakob Schlesinger (1837-1908), Langs Großvater mütterlicherseits, aus dem tschechischen Lulec [früher: Lultsch] stammt und um 1875 nach Wien übersiedelt ist und 1908 in Wien gestorben ist, könnte Fritz Langs Beteuerung, dass sein Großvater am Ufer des Kamp eigenen Grundbesitz bewirtschaftet habe, ein konkreter Hinweis auf seinen leiblichen Großvater väterlicherseits sein, dessen Identität der Nachwelt zwar unbekannt ist, Fritz Lang jedoch durch seine Eltern und/oder seine Großmutter anvertraut worden sein könnte.

Schließlich ist es naheliegend, dass Fritz Langs Großmutter väterlicherseits, die bis zu Ihrem Tod im Jahr 1922 in Wien gelebt hat, im Lauf ihres langen Lebens zumindest ihrem Sohn Anton Lang bzw. ihren Enkeln Adolf und Fritz den Namen und die Identität von Anton Langs leiblichem Vater mitgeteilt hat. Darüber hinaus war dessen Name vermutlich auch Johanna Langs Schwestern bekannt, wovon die eine bis 1922 und die andere bis 1936 im Wiener Umland gelebt hat und bei Familienfeiern, wie Taufen, Hochzeiten und Begräbnissen, gewiss mit ihrem Neffen Anton Lang sowie ihren Großneffen Adolf und Fritz Lang gesprochen und Familiengeheimnisse ausgetauscht haben wird.

Aufgrund der missverständlichen Vermischung von „Rosental“, „Kamptal“ und der dort befindlichen „Rosenburg“ haben Fritz Langs Biografen seine Äußerung bislang bloß als weitere Mystifikation seiner Biografie abgetan. Gewiss kann die im Raum stehende Verwechslung der dem Interviewer unbekannten Namen „Kamptal“, „Rosental“ und „Rosenburg“ eine weitere bewusste Irreführung durch Fritz Lang sein, sie kann aber ebenso gut ein bloßer Hör- bzw. Wiedergabefehler durch den fremdsprachigen Interviewer oder ein Fritz Langs erster Gattin Elisabeth Rosenthal (1894-1920) geschuldeter Versprecher sein.

Meines Erachtens sollte Fritz Langs Beteuerung, dass sein Großvater am Ufer des Kamp eigenen Grundbesitz bewirtschaftet habe, als Wink auf die niederösterreichische Herkunft seines leiblichen Großvaters väterlicherseits ernst genommen und seinem Hinweis gründlich nachgegangen werden, obwohl wegen der inzwischen verstrichenen Zeit (skartierte bzw. durch den Justizpalastbrand vernichtete Akten, verstorbene Zeitzeugen) nur geringe Erfolgsaussichten bestehen. Immerhin ist 1.) Fritz Langs Großmutter väterlicherseits in den 1850er-Jahren nur rund fünfzig Kilometer von Rosenburg entfernt aufgewachsen, und hat 2.) die Familie Anton und Paula Lang 1910 ausgerechnet in Manigfall am Kamp ein Landhaus erworben, das seit 1929 zu Gars am Kamp gehört, wo Fritz Langs Eltern gestorben und begraben sind.

Selbstredend ist nicht auszuschließen, dass Fritz Langs Hinweis, dass sein Großvater väterlicherseits aus dem Kamptal stamme, sich bei der Nachprüfung bloß als weitere Mystifikation erweist.

Anmerkungen

Titel:Und jetzt to the private live of F.L.“ Fritz Lang, Brief vom 22. Februar 1966 an Eleanor Rosé. Abbildung. In: Fritz Lang. Leben und Werk. Bilder und Dokumente. Herausgegeben von Rolf Aurich, Wolfgang Jacobsen und Cornelius Schnauber unter Mitarbeit von Nicole Brunnhuber und Gabriele Jatho (Berlin). Deutsche Kinemathek. 2001, S. 456.

(1) Gaston Phelip: Comment Fritz Lang est venu au Cinéma. „Cinémagazine“, 10 Avril 1925.

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