„Sein oder nicht sein“ Grundstück?

Die Frage, wann das Landhaus der Familie Lang in Gars (bzw. Manigfall 25) errichtet wurde und wer dessen Architekt bzw. Baumeister und Bauherr war, hat mich vor Jahren auf die Spur des Baumeisters Franz Holik, senior (1848–1924), gebracht, weil ein gewisser Franz Holik, zwischen 1896 und 1900 Eigentümer des Grundstückes war.

Um 1900 haben etliche Baumeister und Architekten im Raum Gars Grundstücke in der Absicht gekauft, darauf Landhäuser bzw. Villen zu errichten und diese Neubauten anschließend gewinnbringend an zahlungskräftige Wiener Sommerfrischler zu verkaufen. Demgemäß lag die Vermutung nahe, dass der im Grundbuch nur mit Vor- und Zunamen erwähnte Franz Holik der gleichnamige Baumeister Franz Holik, senior, bzw. sein Sohn Franz Holik, junior (1874–1943) sein könnte. Der jüngere Franz Holik schied als Architekt bzw. Baumeister der späteren „Villa Lang“ aus, weil er laut Eintrag des „Architektenlexikons Wien 1770–1945 erst 1901 die Baumeisterprüfung abgelegt hat.

Sein Vater kam zwar als Grundeigentümer und Baumeister der späteren „Villa Lang“ in Frage, doch ließ sich weder anhand der Garser bzw. Thunauer Fremdenlisten, der Zeitungsdatenbank ANNO bzw. Google-Suchen eine Verbindung zwischen Franz Holik und Gars aufspüren. Die berechtigte Hoffnung, dass die Garser Bauakten weiterführende Angaben enthalten könnten, wann und von wem das Haus Manigfall 25 errichtet wurde, hat sich inzwischen zerschlagen, weil im vorliegenden Fall die ältesten im Garser Bauamt verwahrten Akten, die An- und Umbauten des Hauses durch den Garser Baumeister Johann Buhl betreffen, aus dem Jahr 1964 stammen.

Familie Holiks nahezu spurlose Gars-Aufenthalte

Nachdem auch die Garser Bauakten keine Hinweise zu Franz Holik enthielten, habe ich erneut die Kirchenbücher konsultiert, deren vorangehende Durchsicht zu aufwändig schien, weil es so viele Franz Holiks gab, dass ohne weitere Angaben fraglich blieb, ob der Eigentümer des Manigfaller Grundstückes lediglich ein Namensvetter des Baumeisters war. Denn wie der Zufall spielt, ist 1921 im Garser Spital der in Kamegg wohnhafte Taglöhner Johann Holik (16. April 1841 bis 27. Jänner 1921) gestorben, dessen Wohnort eine Verbindung zu dem in Manigfall befindlichen Grundstück nahegelegt hat, das bis 1929 zu Kamegg gehört hat.

Die abermalige Durchsicht der Kirchenbücher ergab, dass der in Freudental geborene Baumeister Franz Holik, senior, seit 3. Oktober 1880 mit der in Wolfshoferamt geborenen Juliana Steiner (1844–1910) verheiratet war. Das Ehepaar hatte zum Zeitpunkt ihrer Heirat bereits zwei Söhne: Den am 23. Juni 1874 in Wien geborenen Franz Alois Holik und den am 6. August 1876 gleichfalls in Wien geborenen Cajetan Holik.

Die Fotografie zeigt Franz und Juliana Holik (geb. Steiner). Der Fotorahmen wurde übrigens von ihrem Sohn, dem Kunstgewerbeschüler und späteren Architekten Franz Holik, junior, entworfen, dessen Leben und Werk vom „Architektenlexikon Wien 1770–1945“ durch einen eigenen Artikel gewürdigt wird. (Ich danke Frau Mag. Iduna Holik für die Überlassung der Fotografie (© Iduna Holik, Wien) und die Erlaubnis, diese zur Illustration meines Beitrages unentgeltlich verwenden zu dürfen.)
Die Fotografie zeigt Franz und Juliana Holik (geb. Steiner). Der Fotorahmen wurde übrigens von ihrem Sohn, dem Kunstgewerbeschüler und späteren Architekten Franz Holik, junior, entworfen, dessen Leben und Werk vom „Architektenlexikon Wien 1770–1945“ durch einen eigenen Artikel gewürdigt wird. (Ich danke Frau Mag. Iduna Holik für die Überlassung der Fotografie (© Iduna Holik, Wien) und die Erlaubnis, diese zur Illustration meines Beitrages unentgeltlich verwenden zu dürfen.)

Juliana Steiners Herkunft aus Wolfshoferamt verstärkte somit als erste konkrete Gars-Verbindung meine Vermutung, dass der Baumeister Franz Holik, senior, zwischen 1896 und 1900 Eigentümer des Grundes Manigfall 25 gewesen sein könnte.

Aus diesem Grund habe ich seine Ur-Enkelin Iduna Holik kontaktiert und sie gefragt, ob sie wisse, ob ihr Urgroßvater Haus und Grund in Gars besessen habe. Es könnte dabei auch von Kamegg die Rede gewesen sein, da Manigfall bis 1928 zu Kamegg gehört habe. Schließlich wurde Manigfall erst im Jahr 1929 auf Wunsch und Betreiben wohlhabender und einflussreicher Manigfaller Villenbesitzer:innen durch ein Landesgesetz von der bäuerlichen Dorfgemeinde Kamegg abgetrennt und der fortschrittlicheren Marktgemeinde Gars eingemeindet.

Als die Familien Holik, Pick bzw. Lang ihren Grund bzw. ihr Sommerhaus in Manigfall erwarben gehörte diese Ortschaft noch zur Ortsgemeinde Kamegg. Erst durch das „Gesetz vom 20. November 1928 über die Grenzänderung zwischen den Ortsgemeinden Gars und Kamegg“ hat der Landtag von Niederösterreich beschlossen, dass Manigfall von Kamegg abgetrennt und der Gemeinde Gars eingemeindet werde.
Als die Familien Holik, Pick bzw. Lang ihren Grund bzw. ihr Sommerhaus in Manigfall erwarben gehörte diese Ortschaft noch zur Ortsgemeinde Kamegg. Erst durch das „Gesetz vom 20. November 1928 über die Grenzänderung zwischen den Ortsgemeinden Gars und Kamegg“ hat der Landtag von Niederösterreich beschlossen, dass Manigfall von Kamegg abgetrennt und der Gemeinde Gars eingemeindet werde.

Tagebuch verbürgt Gars-Aufenthalte um 1896 und 1897

Zu meiner Überraschung erwähnte Frau Holik neben der Herkunft ihrer Ur-Großmutter aus Wolfshoferamt, einige Aufenthalte und Besuche der Familie Holik in Gars und Thunau. Der in Frage stehende Haus- bzw. Grundbesitz in Manigfall war ihr allerdings völlig unbekannt, weshalb sie so freundlich war, das Tagebuch ihres Großvaters Cajetan Holik (1876–1971) auf allfällige Hinweise durchzusehen.

Die von ihr wenig später mitgeteilten Tagebuchnotizen ihres Großvaters waren für mich hilfreich, weil Cajetan Holik berichtet, dass die Familie ausgerechnet in jenem Zeitraum in Gars und Thunau auf Sommerfrische war, als der im Grundbuch nicht näher bezeichnete Franz Holik Grundeigentümer in Manigfall war.

Allerdings wohnten die Holiks damals nicht in Manigfall, sondern zwei Mal in Thunau und einmal in Gars: „Als Realschüler verbrachte ich mit Mama [= Juliana Holik] und Franz [= Cajetan Holiks älterer Bruder] einmal einen Teil des Sommers in der vorderen Thunau (1897), dann einmal in Gars am Kamp und früher schon als Hochschüler (1896) – ich trug bereits die Gothenkappe – in der hinteren Thunau.[1]

Cajetan Holiks Tagebucheintrag stützt durch die erwähnten um 1896 und 1897 erfolgten Sommeraufenthalte in Gars und Thunau die Vermutung, dass der im Garser Grundbuch nicht näher bezeichnete Franz Holik der 1848 geborene gleichnamige Baumeister sei. Die Tatsache, dass die Familie Holik damals nicht als Hauseigentümer in Manigfall, sondern als Mieter in Gars und Thunau gewohnt hat, legt zudem nahe, dass im Fall, dass Franz Holik zwischen 1896 und 1900 das Grundstück in Manigfall gehört habe, darauf noch kein Haus errichtet war.

„Villa Pick“: Errichtet 1902/03, Architekt noch unbekannt

Laut Grundbuch wurde das Grundstück erst 1902 in Acker und „Bauarea“ unterteilt, nachdem der Wiener Musikinstrumentenhändler Josef-Leopold Pick (1851–1917) dieses im Jahr 1900 von Franz Holik gekauft hat. Laut Garser Fremdenlisten hat Pick in den Jahren 1899, 1900, 1901 und 1902 mit Familie als Sommerfrische-Gast in der „Villa Holzwarth“ (Manigfall 14, heute Horner Straße 214) gewohnt. Seine eigene Villa (Manigfall 25, heute Horner Straße 225) hat er laut Garser Fremdenliste erstmals 1903 genutzt, was nahelegt, dass das spätere Landhaus der Familie Lang um 1902/03 errichtet wurde.

Die 1895/96 errichtete „Villa Holzwarth“, die heute als „Falco-Villa“ bekannt ist, hatte bis 1902/03 weder rechts noch links Nachbarhäuser.
Die 1895/96 errichtete „Villa Holzwarth“, die heute als „Falco-Villa“ bekannt ist, hatte bis 1902/03 weder rechts noch links Nachbarhäuser.

Fotografien aus diesem Zeitraums zeigen, dass die „Villa Holzwarth“, die heute als „Falco-Villa“ bekannt ist, bis 1902/03 weder rechts noch links ein Nachbarhaus hatte. In diesem Sinne betont Eugenie Holzwarth im Mai 1900 als sie eine in ihrer Villa für Sommerfrischegäste bestimmte Wohnung zur Miete inseriert, eigens, dass es keine angrenzenden Häuser gebe, womit gemeint ist, dass sich ihre Sommerfrischler:innen als Badegäste ungestört auf dem kampseitigen Gartengrund bewegen können.

Inserat. Aus: „Neue Freie Presse“. 27. Mai 1900, 37. Die Zahl „14“ ist schlecht lesbar, sodass sie für eine „11“ gehalten werden könnte. Die vermeintliche „1“ ist aber zweifelsfrei eine „4“. Die im Inserat genannte Miete von 100 Gulden bzw. Kronen entspricht heute ungefähr einer Kaufkraft von 835 Euro.)]
Inserat. Aus: „Neue Freie Presse“. 27. Mai 1900, 37. Die Zahl „14“ ist schlecht lesbar, sodass sie für eine „11“ gehalten werden könnte. Die vermeintliche „1“ ist aber zweifelsfrei eine „4“. Die im Inserat genannte Miete von 100 Gulden bzw. Kronen entspricht heute ungefähr einer Kaufkraft von 835 Euro.)]
Manigfall gegen Ende der 1900er-Jahre. Neben der „Villa Holzwarth“ (heute „Falco-Villa“) ist bereits die „Villa Pick“, die spätere „Villa Lang“, zu sehen.
Manigfall gegen Ende der 1900er-Jahre. Neben der „Villa Holzwarth“ (heute „Falco-Villa“) ist bereits die „Villa Pick“, die spätere „Villa Lang“, zu sehen.

Fazit

Meine Nachforschungen haben ergeben, dass das Garser Landhaus der Familie Lang um 1902/03 errichtet wurde, als der Grund dem Wiener Musikinstrumentenhändler Josef-Leopold Pick gehört hat. Er hat laut Garser Fremdenliste erstmals 1903 in seiner eigenen Villa gewohnt und bereits 1903 einige der Räumlichkeiten an Sommerfrischler:innen vermietet. Dagegen hat Franz Holik, der mit dem 1848 geborenen gleichnamigen Baumeister identisch ist, zwischen 1896 und 1900 in Manigfall lediglich unverbauten Grund besessen.

Das Aussehen der „Villa Lang“ wurde durch An- und Umbauten verändert. Einzig, die von vorne gesehen linke Hausmauer blieb von der Bemalung abgesehen unverändert erhalten. Die markanten Schmuckelemente lassen bei den restlichen Hausmauern die Grenze zwischen Alt- und Zubau erkennen.
Das Aussehen der „Villa Lang“ wurde durch An- und Umbauten verändert. Einzig, die von vorne gesehen linke Hausmauer blieb von der Bemalung abgesehen unverändert erhalten. Die markanten Schmuckelemente lassen bei den restlichen Hausmauern die Grenze zwischen Alt- und Zubau erkennen.

Update: Christine Steininger (Wien) verdanke ich eine Kopie des „zwischen Herrn Franz Holik, Architekt und Baumeister in Wien, I. Adlergasse Nr. 8-10 als Verkäufer einerseits, dem Herrn Josef-Leopold Pick, Hoflieferant in Wien, VII. Neubaugasse 78 als Käufer andererseits abgeschlossenen“ Kaufvertrages vom Oktober 1900, der zweifelsfrei belegt, dass Anton Langs Berufskollege Franz Holik zwischen 1896 und 1900 Eigentümer jenes Garser Grundes war, auf dem Josef-Leopold Pick 1902/03 jene Villa errichten ließ, die zwischen 1910 und 1940 den Eltern des Filmregisseurs Fritz lang gehört hat.

Grundstückseigentümer:innen seit 1853

Das Grundstück Manigfall 25 hatte seit 1853 folgende Eigentümer:innen:

1853–1881: Josef (1829–1901) und Anna Maria List (1826–1880)

1881–1886: Josef List (1829–1901)

1886–1896: Wilhelm (1858–1927) und Theresia List (1859–1927, geb. Lechner)

1896–1900: Franz Holik (1848–1924))

1900–1910: Josef-Leopold Pick (1851–1917)

1910–1940: Familie Lang (zuerst Paula († 1920), anschließend Fritz und Anton Lang, später Anton Lang († 1940), zuletzt Fritz († 1976) und Malvine Lang († 1944, geborene Materno, geschiedene Löwenthal)

1940–1954: Johann (1888–1942) und Leopoldine Karel (geb. Scharf, 1889–1954)

Seit 1954: Familie Daniel

Die dem Kamp zugewandte Seite der früheren Lang-Villa nach dem An- und Umbau (© Veröffentlichung der Fotografie mit freundlicher Erlaubnis der Familie Daniel, bei der ich mich herzlich für ihre Hilfe und Gastfreundschaft bedanke.)
Die dem Kamp zugewandte Seite der früheren Lang-Villa nach dem An- und Umbau (© Veröffentlichung der Fotografie mit freundlicher Erlaubnis der Familie Daniel, bei der ich mich herzlich für ihre Hilfe und Gastfreundschaft bedanke.)

Danksagung

Ich danke Edith und Manfred Daniel (Gars) für ihre Gastfreundschaft sowie die Erlaubnis ihr kultur- und zeitgeschichtsträchtiges Haus (Horner Straße 225) besichtigen und die dazugehörenden Bauakten im Garser Rathaus einsehen zu dürfen, Herrn Dr. Josef Siess (Wien) für die hilfreiche Vermittlung des Besuches bei der Familie Daniel, Frau Sylvia Ederer (Bauamt, Gemeinde Gars) für die prompte Bereitlegung der gewünschten Bauakten, Frau Mag.a Iduna Holik (Wien) für ihre hilfreichen Auskünfte über die privaten Gars-Verbindungen ihres Urgroßvaters Franz Holik, senior, ihres Großvaters Cajetan Holik und ihres Großonkels Franz Holik, junior, sowie Christine Steininger (Wien) für die Kopie des zwischen Franz Holik und Josef-Leopold Pick im Oktober 1900 geschlossenen Kaufvertrags.


[1] Ich danke Christine Steininger (Wien) für ihre Freundlichkeit, die schwerer leserbaren Kurrent-Passagen für mich zu transkribieren.

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